Der Qur’an gibt zu, dass er Widersprüche beinhaltet?

Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen!

Einige Islamkritiker zitieren folgenden Vers aus dem Qur’an und suggerieren, dass er zugibt, dass er Widersprüche beinhaltet.

أَفَلَا يَتَدَبَّرُونَ ٱلْقُرْءَانَۚ وَلَوْ كَانَ مِنْ عِندِ غَيْرِ ٱللَّهِ لَوَجَدُوا۟ فِيهِ ٱخْتِلَٰفًا كَثِيرًا

Qur’an 4:82

Denken sie denn nicht sorgfältig über den Qur'an nach? Wenn er von jemand anderem wäre als von Allah, würden sie in ihm wahrlich viel Widerspruch finden.

Dabei behaupten sie, dass der Qur’an hier nicht die Aussage trifft, dass er keine Widersprüche beinhaltet, sondern lediglich nicht viele zum Inhalt hat. Somit wäre Allahs Schlussfolgerung, dass ein Buch, welches nur ein paar Widersprüche beinhaltet, immer noch Sein Wort, jedoch nicht, wenn das Buch „viel Widerspruch“ hätte.

Fehlerhafte Schlussfolgerung

Es ist wahr, dass Allah es in diesem Vers zur Kondition setzt, dass der Qur’an nicht Sein Wort wäre, wenn er viele Widersprüche hätte. Doch dies bedeutet nicht, dass Allah die Kondition lediglich auf die Anzahl „viel“ setzt. Denn im Endeffekt geht es in diesem Vers um eine Tatsache: ein Buch, das viele Widersprüche beinhaltet, kann keine Offenbarung von Allah sein, was nicht automatisch bedeutet, dass ein Buch mit wenigen Widersprüchen eine Offenbarung von Allah sein kann. Diese zweite Aussage gibt Allah von Sich nicht wieder. Beide dieser Tatsachen sind wahr und schließen sich nicht gegenseitig aus. Nur weil Allah die zweite Tatsache nicht erwähnt, bedeutet das nicht, dass Er diese Kondition nicht setzt, so wie wir es unten noch sehen werden.

Die Bedeutung von Qur’an 4:82

Wir finden bei Imam Qurtubis Tafsir zu diesem Vers eine aufschlussreiche Exegese:

Es wurde ebenso gesagt: Die Bedeutung der Weisung ist: Wenn diese Gebote, die euch verkündet wurden, von jemand anderem außer Allah kämen, gäbe es zwischen ihnen Diskrepanzen. Ebenso wurde gesagt: Bei einer Person, die viele Aussprüche getätigt hat, würde man viele Diskrepanzen vorfinden - entweder in der Beschaffenheit der Aussprüche und im Wortlaut oder in der Schönheit der Bedeutungskraft. Das würde man entweder an den Widersprüchen erkennen oder an den Falschaussagen. Jedoch hat Allah, der Allmächtige, bei der Offenbarung des Qur’an befohlen, darüber aufmerksam nachzudenken. Denn sie fanden weder in der Beschaffenheit der Worte Unterschiede vor, noch hatten sie auf irgendeine Art und Weise Möglichkeiten, ihn abzulehnen. Sie finden darin weder einen Widerspruch vor, noch stoßen sie bei der Bekanntgabe des Verborgenen - welches ihnen bekanntgegeben und übermittelt wurde - auf irgendeine Lüge. (Al-Jami’ li-Ahkam al-Qur’an zu 4:82)

Wir sehen also, dass Allah bei Seiner Aussage verdeutlicht, dass ein Buch, welches nicht von Allah stammt, aber denselben Umfang wie der Qur’an hat und genauso wie er Gebote und Verbote erteilt und hinzu noch Geschichten vieler Propheten und Begebenheiten erzählt - viele Widersprüche beinhalten würde. Die Betonung hierbei ist absichtlich auf „viel“, weil dies tatsächlich in so einem Fall zu erwarten wäre, statt dass eine Person, die von sich vorgibt, ein Prophet zu sein und Offenbarungen von Allah erhält, in seinem kompletten Buch, welches er in diesem Fall sich ausgedacht hätte, nur einen oder wenige Widersprüche macht.

Der Qur’an im Kontext

Dass Allah gemäß der Behauptung der Islamkritiker angeblich auf Widersprüche in Seinem Buch hinweist, kann allein durch Verse des Qur’an entkräftet werden, in denen Allah auf die Unfehlbarkeit Seiner Offenbarung hinweist:

ٱلْحَمْدُ لِلَّهِ ٱلَّذِىٓ أَنزَلَ عَلَىٰ عَبْدِهِ ٱلْكِتَٰبَ وَلَمْ يَجْعَل لَّهُۥ عِوَجَاۜ

Qur’an 18:1

(Alles) Lob gehört Allah, Der das Buch (als Offenbarung) auf Seinen Diener herabgesandt und daran nichts Krummes gemacht hat,

قُرْءَانًا عَرَبِيًّا غَيْرَ ذِى عِوَجٍ لَّعَلَّهُمْ يَتَّقُونَ

Qur’an 39:28

(in diesem) arabischen Qur'an, an dem nichts Krummes ist, - auf daß sie gottesfürchtig werden mögen.

Diese beiden Verse sollten ausreichen, um unsere obige Feststellung zu unterstreichen, undzwar, dass Qur’an 4:82 nicht bedingt, dass ein einziger Widerspruch im Buche Allahs enthalten sein kann.

Prophetische Auslegung

Der Exeget Ibn Kathir stellt uns die prophetische Auslegung des Verses vor:

Imam Ahmad zeichnete auf, dass Amr bin Shuayb sagte, dass sein Vater sagte, dass sein Großvater sagte:
„Mein Bruder und ich waren bei einer Versammlung anwesend, was ich den roten Kamelen vorziehe. Mein Bruder und ich kamen und fanden einige der Führer der Gefährten des Gesandten Allahs nahe einer Tür von ihm sitzen. Uns gefiel die Vorstellung nicht, von ihnen getrennt zu sein, so saßen wir nahe dem Raum. Sie erwähnten dann eine Ayah und stritten hierüber, bis sie anfingen, ihre Stimmen zu erheben.
Der Gesandte Allahs war so wütend, dass sein Gesicht rot war, als er hinaus kam. Er warf Sand auf sie und sagte zu ihnen:

مَهْلً يَا قَوْمِ بِهَذَا أُهْلِكَتِ الاُْمَمُ مِنْ قَبْلِكُمْ بِاخْتِلَفِهِمْ عَلى أَنْبِيَايِهِمْ وَضَرْبِهِمِ الْكُتُبَ بَعْضَهَا بِبَعْضٍ إِنَّ الْقُرْانَ لَمْ يَنْزِلْ يُكَذِّبُ بَعْضُهُ بَعْضًا إِنَّمَا يُصَدِّقُ بَعْضُهُ بَعْضًا فَمَا عَرَفْتُمْ مِنْهُ فَاعْمَلُوا بِهِ وَمَا جَهِلْتُمْ مِنْهُ فَرُدُّوهُ إِلى عَالِمِه

Seht, O Leute! Dies ist die Art, wie Nationen vor euch untergegangen sind, weil sie sich mit ihren Propheten stritten und einigen Stellen der Bücher mit anderen Stellen entgegentraten. Der Qur’an widerspricht sich selbst nicht. Vielmehr bezeugt er seine eigene Wahrheit. Aus diesem Grund - worüber ihr auch Wissen davon (vom Qur’an) habt, so setzt dies um und wovon ihr hiervon (vom Qur’an) kein Wissen habt, dann wendet euch an jene, die Wissen darüber haben.“

Schlussfolgerung

Die Islamkritiker haben versucht, eine Behauptung durch ein Fehlverständnis der Aussage Allahs aufzustellen, das jedoch direkt innerhalb den islamischen Schriften verworfen wird.