Paulus in der Sira von Ibn Ishaq und in al-Tabari?
Im
Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen!
Vorwurf
Islamkritiker
zitieren folgende zwei Texte – einmal aus Ibn Ishaq und aus al-Tabari:
Diejenigen, die Jesus, Sohn der Maria,
geschickt hat, waren beide Schüler und diejenigen, die nach ihnen in das
Land kamen, war Jünger
Petrus und mit ihm Paulus... (Ibn Ishaq,
Sirat Rasul Allah, S. 653)
Unter den
Aposteln, und den Anhängern, die nach ihnen kamen, waren der Apostel Petrus und Paulus der ein Anhänger war und kein Apostel.
Beide gingen nach Rom... (The History of al-Tabari, Bd. IV, S. 123)
Hierbei machen
sie viele verschiedene Vorwürfe, die ihr hören werdet. Einige, die ich
mitbekommen habe, sind:
· Dadurch wird
bestätigt, dass laut Islam Paulus kein falscher Prophet gewesen ist bzw. eine
richtige Lehre hatte und somit die Lehre Jesu nicht verdreht hat.
· Die frühen
Muslime kein Problem damit hatten, Paulus als Gläubigen anzusehen.
Antwort:
Allgemein muss
gesagt werden, dass dies eine sehr schwache Argumentation ist. Die
Argumentation, Paulus sei laut Qur’an 36:14 ein Prophet, weil Ibn Kathir ihn in
seinem Tafsir namentlich erwähnt, ist sogar glaubwürdiger, obwohl das auch sehr
schwach und zugegebenermaßen peinlich ist. Diese Argumentation haben wir bereits
in „Ist Paulus laut Qur’an
36:14 ein Prophet?“ untersucht.
Dass Christen
krampfhaft versuchen, Muslimen irgendetwas beweisen zu wollen, indem sie Ibn
Ishaq und al-Tabari zitieren, zeigt, dass sie entweder keine Ahnung haben, wie
Muslime über diese Werke denken oder dass sie aus Verzweiflung auf diese Werke
zurückgreifen. Wir haben bereits in Artikeln gezeigt, dass Ibn Ishaq und
al-Tabari nicht immer authentisch sind und die jeweiligen Schreiber dieser
Werke nicht geprüft haben, ob das Material, das sie bekommen haben, authentisch
ist und von vertrauenswürdigen Leuten kommt. Bei Ibn Ishaq ist das viel klarer,
weil er oftmals schreibt, woher er das Wissen hat, wohingegen al-Tabari in
seinem Vorwort (Muqaddama) offen und ehrlich zugibt, dass sein Werk viele Makel
enthalte kann und er hierfür nicht haftet, da er ausdrücklich davor gewarnt hat.
Da dies aber
hier nicht das eigentliche Thema ist, verweise ich an dieser Stelle auf die
Artikel, in denen wir die Authentizitätsstufe von Sirat Rasul Allah und Tarikh al-Tabari
erklären:
KOMMT
NOCH
Fakt ist
jedoch, dass wir zusätzlich noch überprüfen müssen, ob das, was beide
schreiben, authentisch/vertrauenswürdig ist.
#1: Sirat Rasul Allah
Hier ist das, woher
sie diesen Textabschnitt haben (S. 653 von der Übersetzung von Alfred
Guillaume):
Wie wir sehen,
ist das keine Aussage des Propheten Muhammad, sondern eine Information, die Ibn
Ishaq selbst hinzugefügt hat. Auch wenn aber Ibn Ishaq hier den Propheten
Muhammad zitieren würde, so müssten wir nachprüfen, ob dies authentisch ist, da
es sich hierbei um Ibn Ishaq handelt. Ebenso sehen wir hier, dass Ibn Ishaq
nicht erwähnt, woher er diese Information hat. Bei Ibn Ishaq ist es so, dass er
in seinem Werk manchmal angibt, woher er die jeweilige Information hat und manchmal
nicht.
Der Übersetzer
dieses Werkes jedoch – Alfred Guillaume – geht in Fußnote 2 davon aus, dass Ibn Ishaq diese Information
von griechischen Quellen hat, da die Namen der Apostel griechisch sind, diese
ihn aber durch das Syrische erreichte.
Und das ist
auch ganz plausibel, da alte
katholische und ostorthodoxe Legenden besagen, dass Paulus gemeinsam mit
Petrus in Rom gepredigt hat.
Was
christliche Missionare, die euch diese Stelle zitieren werden, betonen, ist,
dass Jesus persönlich Paulus und Petrus nach Rom schickt. Allein das zeigt,
dass an dieser Information, die uns Ibn Ishaq weitergibt, etwas nicht stimmt: und
zwar, dass Paulus von Jesus persönlich auf eine Mission geschickt wird, in Rom
zu predigen. Wir wissen
alle, dass Paulus zu Jesu Lebzeiten kein Christ gewesen ist, sondern vielmehr
die Christen verfolgt hat. Das zeigt, dass Ibn Ishaq gar nicht die Geschichte
von Paulus kannte, weswegen man nicht behaupten kann, dass Ibn Ishaq
Paulus Lehren kannte und als Anhänger Jesu (also Gläubiger) akzeptierte. Vielmehr zeigt das, dass Ibn
Ishaq überhaupt keine Ahnung über Paulus von Tarsus hatte.
Zudem müssen
wir noch einmal betonen, dass in der Passage steht, dass Paulus kein Apostel gewesen ist, was
nicht gerade positiv für das christliche Verständnis über Paulus spricht. Dies
ist eigentlich auch ein Beweis dafür, dass diese Passage total falsch ist. Denn
hätte Jesus wirklich Paulus auf eine Mission geschickt, würde er automatisch als Apostel gelten und nicht
als „Anhänger“.
Streng
genommen listet Ibn Ishaq nur die Personen auf, die Jesus auf eine Mission
geschickt hat. Ibn Ishaq gibt keine weiteren Informationen über die Personen,
die Jesus geschickt hat.
Es kann sein,
dass Paulus, der durch Jesus nach Rom geschickt wurde, zuerst den wahren Lehren
Jesu folgte aber später beim Predigen Jesu Lehre verfälschte, wobei Jesus das
nicht zu diesem Zeitpunkt wusste. Denn genauso war es auch mit Judas: er galt
immer noch als Apostel Jesu, bis er Jesus verriet. Genauso könnte auch Paulus
in Jesu Augen als Gläubiger gelten, bis er nach seinem Tod Jesu Lehre
verfälschte.
Man könnte
dies sogar dahingehend interpretieren, dass Jesus den späteren Verrat/Abfall
vom Glauben von Paulus nicht wusste, jedoch Allah die Sendung von Paulus auf
die Mission als eine Prüfung für die anderen Apostel zuließ.
!!!Aber solche Überlegungen sind total
unwichtig, da wir bewiesen haben, dass die Textpassage faktisch falsch ist!!!
#2: al-Tabari
Hier ist das, woher
sie diesen Textabschnitt haben (S. 123 aus der Übersetzung von Moshe Perlmann,
Band 4):
Hier muss man
nicht viel sagen, da hier die selbe Quelle benutzt wurde.
Zusammenfassung
1 – Die Werke,
die die christlichen Missionare hier zitieren (Sirat Rasul Allah von Ibn Ishaq
und al-Tabari von Imam Tabari), sind keine authentischen Werke, sodass
sie sogar unauthentischer sind als die unauthentischsten Hadith-Werke.
Man kann aus diesen Werken nur dann etwas zitieren, wenn sie durch Qur’an oder
Sunnah (Hadithe) bestätigt werden.
2 – Diese
beiden Werke enthalten viele Passagen und Informationen, bei denen man nicht
weiß, von wem sie kommen. Manchmal werden bestimmte Namen und Ketten erwähnt,
wobei oft Personen erwähnt werden, die von der Vertrauenswürdigkeit her nicht
bekannt und somit inakzeptabel für die islamische Theologie sind. In diesem Fall werden nicht
einmal Quellen erwähnt, weswegen die Informationen zu den Aposteln direkt zu verwerfen sind.
3 – Die Informationen, die Ibn
Ishaq und Imam Tabari zu den Aposteln des Propheten Jesus haben, stammen von christlichen Traditionen. Diese haben das
einfach in ihre Werke übernommen.
4 – Selbst für Christen ist die
Textpassage nicht akzeptabel, da der
Prophet Jesus Paulus von Tarsus niemals auf eine Mission beauftragt hätte, weil
er zu dieser Zeit ein strenger Verfolger der Christen gewesen ist. Zu Lebzeiten
von Jesus verfolgte Paulus die Anhänger Jesu und er ist zudem zu seiner
Lebenszeit niemals Jesus begegnet. Eine weitere Sache, die selbst kein Christ
akzeptieren würde, ist, dass Paulus als Anhänger und nicht als Apostel benannt
wird. Dies ist auch von der Logik gesehen falsch, da Paulus zu den Aposteln
zählen würde, wenn Jesus ihn mitsamt den anderen Aposteln zu einer Mission
schicken würde.
5 – Auch wenn
diese Passagen, die aus der Sicht der Islamwissenschaft unbedeutend sind und keine Glaubenslehre
für Muslime darstellen, wahr sein sollten, so könnten Muslime – genauso wie
Christen – heruminterpretieren.
Denn die Erwähnung, dass Jesus Paulus mit Petrus zusammen auf eine Mission
geschickt hat, bedeutet keineswegs, dass Paulus Lehre richtig ist. Es kann
nämlich sein, dass Paulus zu dieser Zeit richtig geglaubt hat, aber später vom
Glauben abgefallen ist oder dass er – genauso wie Judas – vor Jesus seine bösen
Absichten versteckt hat. Denn selbst Judas galt bis zu seinem Verrat als
Apostel und so könnte auch Paulus als Anhänger Jesu gelten.
6 – Der
Vorwurf, dass frühe Muslime (Ibn Ishaq und Imam Tabari) Paulus akzeptiert
haben, nur weil er in diesen Passagen erwähnt wird, die von christlichen
Quellen abgeschrieben wurden, ist nichtig, da wir anhand der Passage erkennen, dass sie gar keine Ahnung über die Apostel Jesu hatten. Und das ist
auch das, was hinter diesen Werken steckt, weswegen wir in ihnen viele Fehler
finden und sie als unauthentisch abstempeln: Weder Ibn Ishaq, noch Tabari haben
geprüft, was richtig und was falsch ist und ob die Informationen, die sie
erhalten haben, vertrauenswürdig und authentisch sind. Vielmehr haben sie alles aufgenommen,
was sie gehört haben, wobei sie nichtmal ihre Quelle – wie hier – nennen.
Wahrlich, Allah weiß es am Besten!
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