Hadith: Prophet Muhammad ein Heuchler?



Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen!
Vorwurf
Christliche Missionare verwenden folgende Überlieferung, um zu beweisen, dass der Prophet Muhammad ein Heuchler gewesen sei:
'Aisha berichtete:
Ein Mann bat um Erlaubnis, beim Propheten eintreten zu dürfen. Als der Prophet (ﷺ) ihn sah, sagte er: „Was für ein böser Bruder seines Stammes! Und was für ein böser Sohn seines Stammes!“ Als dieser Mann sich setzte, verhielt sich der Prophet (ﷺ) nett und höflich mit ihm und fühlte sich bei ihm vollkommen wohl. Als diese Person gegangen war, sagte Aisha (zum Propheten). „O Gesandter Allahs! Als du diesen Mann gesehen hast, hast du so und so über ihn gesagt, dann hast du ihm ein freundliches und höfliches Verhalten gezeigt und du hast seine Gesellschaft genossen?“ Allahs Gesandter (ﷺ) sagte: „O Aisha! Hast du jemals gesehen, wie ich eine schlechte und schmutzige Sprache spreche? (Denk daran,) Die schlimmsten Menschen in Allahs Augen am Tag der Auferstehung werden diejenigen sein, welche die Menschen (ungestört) verlassen, um von ihren bösen (Taten) fern zu bleiben.“ (Sahih al-Bukhari, Hadith 6032)
Mit diesem Hadith wird dem Prophet Heuchelei vorgeworfen, weil er „hinter dem Rücken“ dieser Person schlecht redet, sich jedoch bei seiner Anwesenheit ganz freundlich verhält.
Antwort
Diesen Hadith findet man im Sahih des Imam Bukhari dreimal im Kapitel Kitab Al-Adab (Nr. 6032, 6054 & 6131). Bei Abu Dawud in Kitab Al-Adab (Nr. 4791). Bei Tirmidhi in Kitab al-Birr (Nr. 1996).
Gemäß Ibn Battal und Qadi Iyyad[1] handelt es sich  bei der Person um Uyayna b. Hisn al-Fazari. Ihm wurde seinerzeit der Beiname „Narr“ gegeben. Zu der Zeit, als der Mann beim Propheten eintrat und dieser ihn gut behandelte, war er noch kein Muslim, zeigte sich aber nach außen hin als Muslim. Es handelt sich bei dieser Person also um einen der Heuchler. Der Gesandte Allahs hat die warnenden Worte über ihn deswegen von sich gegeben, um sein Volk vor ihn zu warnen und dafür zu sorgen, dass sie sich durch ihn nicht täuschen lassen sollen.
Dieser Mann hat sowohl im gesunden Zustand des Gesandten Allahs, als auch nach seinem Tod Taten begangen, die stark auf die Schwäche seines Glaubens hinweisen. Mit der Zeit nahmen seine schlechten Taten jedoch zu, sodass er zur Zeit Abu Bakrs zusammen mit den anderen Abtrünnigen seinen Glauben öffentlich verwarf und gegen die Muslime kämpfte. Er wurde schließlich als Gefangener dem Prophetengefährten Abu Bakr gebracht.
Die Worte des Gesandten Allahs: „Was für ein böser Bruder seines Stammes! Und was für ein böser Sohn seines Stammes!“ bezüglich dieser Person sind ein klares Wunder seines Prophetentums. Denn auch nach seinem Ableben verhielt sich dieser Mann so, wie er ihn mit seinen Worten beschrieben hat. Dies wurde vor Allem dann klar, als er nicht mehr im Geheimen, sondern öffentlich gegen die Muslime gekämpft hat.  
Der Grund, wieso der Gesandte Allahs zart mit ihm umgegangen ist, war seine Hoffnung, dass das Volk dieses Mannes den Islam annimmt.
Einige Exegeten sagen, dass sich diese Begebenheit auf die ersten Verse der Sura 'Abasa bezieht, d.h. Uyayna b. Hisn al-Fazari einer der Stammesmänner (bei al-Fazari ist es der murad-Stamm) war und der Prophet – als dieser bei ihm eintrat – das Gespräch mit Abdullah ibn Umm Maktum abgebrochen hat.
Der Hadith ist ein Beweis dafür, dass man einer Person zart entgegnen sollte, falls man sich vor seinen Schlechtigkeiten fürchtet und dass es eine Pflicht ist, vor einem Frevler zu warnen, der seinen Zustand durch seine Taten offenkundig legt. Der Gesandte Allahs hat diesen Mann nicht gelobt, sondern ihn lediglich zart behandelt, um sein Herz dem Islam näher zu bringen.
Im Gegensatz zu der Behauptung, dass der Prophet aufgrund seines Umgangs ein Heuchler sei, ist es vielmehr eine starke Tugend und ein Hinweis auf den prophetischen Charakter, da er selbst seine Feinde und die Heuchler an sich in ganzer Geduld mit Güte[2] behandelt. Denn der Gesandte Allahs gibt in diesem Hadith diesem Mann – obwohl seine Frevel bekannt sind – immer noch die Chance, den Islam anzunehmen und zudem eine Möglichkeit, ins Paradies zu kommen. Dies wird ebenfalls durch die Aussage des Gesandten bestätigt:
„Die schlimmsten Menschen in Allahs Augen am Tag der Auferstehung werden diejenigen sein, welche die Menschen (ungestört) verlassen, um von ihren bösen (Taten) fern zu bleiben.“
Damit der Mann am Tag des Gerichts in Allahs Augen nicht zu den schlimmsten Menschen zählt, bietet er ihm die Gesellschaft an und meidet ihn nicht – mit der Hoffnung, seinen Feind zum Islam zu bringen. Somit zeigt der Gesandte Allahs seinen schützenden Willen zweierlei: einerseits für den Mann, damit er am Tag des Gerichts nicht zu den Verlierern gehört und andererseits für sein Volk, damit sie durch seine Warnung verstehen, dass sie in Bezug auf diese Person aufpassen sollen.
Hinter seinem Rücken geredet?
Kommen wir noch einmal kurz auf die Frage zurück, ob es sich beim Hadith um solch einen Fall gehandelt hat:
Al-Khattabi sagte, dass dieser Hadith Wissen und Höflichkeit enthält und es sich bei der Aussage des Gesandten Allahs (Friede sei mit ihm) in Bezug auf seine ummah (d.h. Nation) um keine Verleumdung handelt, wenn er ihre schlechten Taten erwähnt, was jedoch als solche angesehen werden würde, wenn sie [d.h. die Muslime] dies unter sich tun. Es ist vielmehr die Pflicht des Propheten, ihnen [ihre Fehler] zu zeigen, indem er sie offenlegt und die Menschen darüber informiert. Dies ist eher als Rat und Mitgefühl für die ummah anzusehen. Er hat aufgrund seiner edlen Art und ausgezeichneten Höflichkeit ihn nicht verabscheut, sodass seine ummah ihm darin nacheifern würde, das Übel einer solchen Person zu meiden und ihm so zu entsprechen, dass man frei von seinem Schaden und Unheil ist.
Ich (d.h. Ibn Hajar) sage: Seine Rede scheint eine der [prophetischen] Eigenschaften zu sein, ist sie aber nicht [d.h. sein Verhalten ist etwas normales/selbstverständliches]. Es ist eher so, dass jeder, der etwas [Schlechtes] über eine Person weiß und befürchtet, dass andere von seiner äußerlichen Güte getäuscht werden und folglich in Gefahr geraten könnten, ihnen als Ratschlag die schlechten Eigenschaften dieser Person(en) mitteilen sollte (...)
Al-Qurtubi sagte: (...) „Wahrlich, der Prophet (Friede sei mit ihm) übte angesichts weltlicher Angelegenheiten seine gute Kameradschaft und Sanftmut in der Rede aus, aber er lobte ihn nicht in der Rede, sodass seine Worte über ihn seinen Taten nicht widersprechen. Daher ist das, was er über ihn sagte, wahr, und was er ihm gewährte, war eine gute Kameradschaft, und so wird die Zweideutigkeit beseitigt und Allah sei gepriesen.
(Ibn Hajar Al Asqalani, Fathul Bari, Kitab: Al Adab, Bab: Lam Yakunn Al Nabai Sallah Allaahu 'Alayhi Wa Sallam Faahishaan wa laa Mutafahishan, Kommentar zu Hadith Nr. 5572)
Somit sehen wir, dass es sich bei der Rede des Gesandten Allahs weder um Heuchelei handelte, noch dass seine Aussage nicht mit seiner Handlung konform war.
Abgesehen davon ist das „hinter dem Rücken“ reden im Islam in gewissen Situationen erlaubt, was jedoch keine Beleidigung der Person beinhalten darf. Für weitere Informationen, siehe HIER und HIER.




[1] Qadi Iyyad (544/1149) hat folgendes gesagt: „Dieser Mann ist Uyayna b. Hisn. Auch wenn er scheinbar (d.h. nach außen hin) Muslim war, war er kein Mu’min. Der Gesandte Allahs wollte, dass die Leute ihn erkennen und dass diejenigen, die seinen Zustand nicht kennen, nicht von ihm getäuscht werden, weswegen er seinen Zustand deklariert hat. Sowohl zur Lebenszeit des Gesandten Allahs, als auch nach seinem Tod gab es Beweise für die Schwäche seines Glaubens. Schließlich wurde er gemeinsam mit den Abtrünnigen zum Apostat und wurde als Gefangener zu Abu Bakr gebracht. Die Aussage des Gesandten „Was für ein böser Bruder seines Stammes.“ Ist ein Zeichen für sein Prophetentum. Denn sein Frevel – auf den der Prophet hinwies – gelang in die Öffentlichkeit. Der Gesandte Allahs hat zu ihm nur deswegen zärtlich gesprochen, damit er und seinesgleichen dem Islam gegenüber warm werden.“       

[2] Es gibt in vielen anderen Ahadith extrem viele Beispiele, in denen der Prophet die Heuchler nicht bestraft, obwohl ihre schlechten Absichten und Charakteristika bekannt sind. Dies ist eines der zahllosen Beispiele der exzellenten Geduld des Gesandten Allahs.

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