Fatwa: Wassermänner und Meerjungfrauen? (al-insan al-ma’ bzw. al-insan al-bahr)
Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen!
Achtung: Bevor man sich den Artikel
durchliest, sollte man sich über die Begrifflichkeiten bewusst werden. Al-insan
al-ma’ bedeutet Wassermensch. Al-insan al bahr bedeutet Mensch des Meeres (bzw.
Mensch aus dem Meer). Auf diese beiden Bezeichnungen bezieht sich die komplette
fatwa des Shaykh Salih al-Munajjid, auch wenn er das Wort mermaid verwendet. Denn
das Wort mermaid bedeutet im Englischen oft Meerjungfrau, dessen arabische
Äquivalente banat al-ma’ oder huriyat al-bahr ist. Diesen Unterschied versteht man,
wenn man sich die fatwa durchliest, doch um Komplikationen jetzt schon
auszuschließen, ist dieser Hinweis sehr gut.
Vorwort
Islamophobe
Islamhasser verwenden seit einigen Jahren merkwürdige Argumente gegen den
Islam, um die Muslime, ihre Gelehrten und die Wissenschaftlichkeit der ersten
muslimischen Generationen zu verspotten. In diesem Artikel untersuchen wir die
Behauptung, dass der Islam die Existenz von Wassermännern bzw. Meerjungfrauen
bestätige. Hierfür wird eine fatwa
des Shaykh Salih al-Munajjid zitiert, die sowohl in englischer, als auch in
arabischer Sprache vorlag.
Man findet die
fatwa HIER[1].
Wie man es wohl bereits bemerkt, handelt es sich dabei um einen archivierten Link,
da die fatwa sowohl in arabischer
Sprache, als auch in englischer Sprache aus der Seite entfernt wurde. Trotzdem
stellen wir dies zur Verfügung, damit man sich die fatwa durchlesen kann und
den Vorwurf versteht.
Antwort
Um diesen
Vorwurf zu entkräften, reicht es, die fatwa
zu kommentieren. Fangen wir also damit an. Hierfür wird die fatwa in original englischer Übersetzung
wiedergegeben.
Zuerst soll
die Frage aufgegriffen werden, was man damit bezwecken will, eine gelöschte fatwa wieder zu Verfügung zu stellen?
Das Löschen der fatwa durch den
Shaykh bedeutet nichts anderes als dass er die fatwa verwirft. Was auch immer die Islamophoben mit der fatwa beweisen wollen – sie können nicht
die Meinung vertreten, dass der Shaykh diese Meinung teilt, weil die fatwa nicht mehr auf der Seite zur
Verfügung steht. Es sieht sehr stark danach aus, dass der Shaykh die fatwa nicht unterstützt, weswegen er sie
gelöscht hat. Man kann erst etwas über den Shaykh sagen, wenn er wieder eine fatwa oder eine Klarstellung
veröffentlicht.
Manche
Islamkritiker greifen auf diese fatwa
zurück, um zeigen zu wollen, dass Gelehrte an Wassermänner/Meerjungfrauen
glauben bzw. der Islam dies bedingt. Halten wir an dieser Stelle jedoch
folgendes fest: weder Qur’an noch Sunnah berichten von
Wassermännern/Meerjungfrauen, noch sind irgendwelche einzelne Aussagen von
Gelehrten Beweise gegen den Islam bzw. Grundlage für den islamischen Glauben.
Denn es handelt sich um einzelne Gelehrte, welche diese „Kreaturen“ erwähnt
haben und diese Erwähnung ist auch legitim, was wir gleich sehen werden.
Zunächst
schauen wir uns die Frage des Fragenstellers an:
Is
there any such thing as a mermaid?.
Die direkte
Antwort des Shaykhs auf diese Frage ist:
A mermaid is a creature that lives in water and looks
like a human. As to whether it
really exists or it is a mythical being, that is subject to further discussion.
Das bedeutet,
dass der Shaykh offen legt, ob es sie wirklich gibt oder nicht. Er sagt, dass
dies eine weitergehende Diskussion bedingt.
Als nächstes
wird die Meerjungfrau (mermaid)
weiter definiert:[2]
It says in a footnote in al-Mawsoo’ah al-Fiqhiyyah
(5/129): From the modern academic resources that are available to us, it may be
understood that the mermaid, which is called Sirène in French, is a mythical
creature that is described in fairy tales as having an upper body like a woman
and a lower half like a fish.
(...)
The encyclopaedia goes on to say: The widespread
notion in ancient times was that the wonders and animals of the sea were more
and greater than the wonders of dry land, and that there was no kind of animal
in the sea that did not have a counterpart on land. This was confirmed by Prof.
Muhammad Fareed Wajdi in his encyclopaedia, quoting from modern academic
sources. See: Daa’irah Ma’aarif al-Qarn al-‘Ishreen: Bahr – Hayawiyan. End
quote.
Wir sehen
also, dass der Shaykh Quellen zitiert, die besagen, dass die moderne Forschung
Meerjungfrauen als mythische Kreaturen ansieht, was Professor Muhammad Farid
Wajdi bestätigt.
Als nächstes
zitiert der Shaykh das Werk des Muhammad al-Damiri hayat al-haywan al-kubra:
Al-Dumayri said in Hayaat al-Haywaan al-Kubra:
Mermaid [gemeint ist: Wassermann]: it resembles a human but it has a tail.
Al-Qazweeni said: Someone brought one of them in our time. End quote.
Ich finde die
Zitierung des Shaykhs nicht präzise genug. Hier die komplette Passage:
إنسان الما (insan
al ma’)–[Wassermann] Al-Qazwini sagt: „Er ähnelt einem Mann, außer dass er
einen Schwanz hat; einer wurde zu unserer Zeit von einem Mann gebracht, von der
Form, die wir erwähnt haben. Es wird berichtet, dass im See Syriens einer in
der Form eines Mannes mit weißem Bart sich gelegentlich zeigt und „Sheikh al-Bahr“
(der alte Mann des Meers) genannt wird. Wenn Menschen ihn sehen, betrachten sie
ihn als Vorbote guter Neuigkeiten in der Form der Fülle der Ernte. Es wurde
ebenso berichtet, dass ein Wassermann einem König gebracht wurde, welcher es sich
wünschte, ihn zu untersuchen [gemeint ist: seine Sprache], sodass er ihn mit
einer Frau verheiratete. Dieser hatte von ihr einen Sohn, welcher die Sprache
der beiden Eltern verstand. Der König sagte zum Sohn: „Was sagt dein Vater?“
und er antwortete: „Er sagt: Die Schwänze aller Tiere befinden sich am unteren
Teil ihrer Körper. Wie kann es also sein, dass diese (Männer) ihre Schwänze
[gemeint ist die Nase] auf ihrem Gesicht platziert haben?““
Dieses Thema wird bald im Artikel بانَات ال ما unter dem
Buchstaben ب beschrieben.[3]
(halal oder haram) Al-Laith b. Sa’d wurde bezüglich
des Essens dieses Tieres gefragt und er antwortete, dass es in keinem Fall
gegessen werden soll.[4]
Tragen wir
also zusammen, was wir hieraus lernen: al-Darimi zitiert al-Qazwini, welcher
all diese Berichte über den Wassermann liefert. Diese Berichte können nicht
bestätigt werden und haben weder Überlieferungskette, noch kennt man die
Identität der Menschen, welche diese Wesen gesehen haben. Das ist auch der
Grund, wieso der Shaykh nur die Beschreibung dieser Wesen aus diesem Werk
zitiert hat.
Das Werk des
al-Damiri kann keineswegs als Tier-Lexikon betrachtet werden, sondern
beinhaltet die einfache Wiedergabe von Literatur, ohne eigene Beobachtungen.
Deswegen ist der zoologische Wert des Werkes gering, da es vielmehr
Ethnographie, Linguistik, Speisevorschriften, Lehrmeinungen des Propheten und
von Imamen, Legenden, Sprichwörter, Dichteraussagen zu den Tieren und Traumdeutungen enthält. Zudem enthält das
Werk viele historische Informationen zur Geschichte des Kalifats.[5]
Es handelt
sich also bei seinem Werk um die Wiedergabe von Informationen, ohne dass er
diese auswertet. Neben dem Wassermann enthält das Werk weitere Wesen, die aus
Mythologie und Erzählungen stammen, wie beispielsweise den Simorgh (persische
Mythologie) sowie Drachen und weitere Wesen aus der alten griechischen
Mythologie. Zudem beinhaltet das Werk auch Wesen, die in islamischen Schriften
erwähnt werden, wie beispielsweise Buraq, Dabba, Iblis, Jinn usw.
Was wir also
hier lernen, ist, dass das Werk sowohl in der islamischen Glaubenslehre, als
auch aus wissenschaftlicher Sicht keine Grundlage bildet, sondern lediglich
viele weitererzählte Informationen beinhaltet, die sowohl korrekt sind und
bestätigt wurden, als auch falsch sind und auf Mythen, Legenden und Erzählungen
beruhen, bei denen die Quelle sogar unbekannt ist (keine Überlieferungsketten).
Im Falle des Wassermanns geht sogar klar hervor, dass al-Damiri diese selbst
nie gesehen hat und alle Informationen hierüber von al-Qazwini stammen.
Eigentlich
endet mit diesem Zitat auch bereits die fatwa,
weil auf die Frage des Fragenstellers nicht weiter eingegangen wird. Der Rest
der fatwa behandelt lediglich das
Thema, ob es erlaubt ist, diese Tiere zu essen oder nicht.[6]
Genau an dieser Stelle setzt das Gehirn der Islamkritiker aus, da sie denken,
dass die Erwähnung von Wassermännern durch die fuqaha bedingt, dass sie an deren Existenz glauben. Jedoch ist die
Vorgehensweise der Gelehrten dieselbe wie die des Shaykh selbst – es geht ihnen
gar nicht um die Frage, ob die Tiere existieren oder ob bestimmte Fälle, über
die sie sich streiten, so jemals eintreffen könnten oder nicht. Es geht
vielmehr darum, solche Tiere oder Fälle zu kategorisieren.
Leute, die
sich mit islamophoben Argumenten auseinandersetzen, werden sich an ähnliche
Fehlschlüsse der Islamkritiker erinnern. Hier einige Beispiele:
·
dass Gelehrte darüber sprechen, ob die Waschung eines
Sodomiten (jemand, der Verkehr mit einem Tier hatte) notwendig ist, bedeutet
nicht, dass die Handlung erlaubt ist.
·
dass es keine festgelegte Strafe für Sodomie gibt
bedeutet nicht, dass die Handlung erlaubt ist.
·
dass Gelehrte darüber sprechen, ob die Ehe eines Mannes
anerkannt wird, der seine eigene Tochter heiratet, die durch zina entstanden
ist, macht die Unzucht nicht zu einer erlaubten Tat.
Man könnte die
Liste bis ins Unendliche ausführen. Das ist immer wieder dasselbe
Missverständnis, das durch Islamhasser begangen bzw. benutzt wird – und hier
haben wir keinen anderen Fall.
Das ist auch
der Grund, wieso diese Wesen nur von den Rechtsgelehrten (fuqaha) erwähnt werden:
Many of the fuqaha’ mentioned mermaids and differed on the ruling concerning them. Some of
them said that they are permissible (to eat) because of the general meaning of
the evidence which says that whatever is in the sea is permissible. This is the
view of the Shaafa’is and Hanbalis, and is the view of most of the Maalikis and
of Ibn Hazm and others. And some of them regarded it as haraam because it is
not a kind of fish. This is the view of the Hanafis and of al-Layth ibn
Sa’d.
Denn es ist
sehr interessant, welche Meinungen die vier Rechtsschulen bezüglich des
„Schweins des Meeres“, des „Hunds des Meeres“ und des „Wassermannes“ vertreten.
Denn all diese Meeresbewohner sehen einem üblichen Fisch nicht ähnlich, doch
sie leben nur im Meer. Werden diese Wesen also wie Fische behandelt oder
handelt es sich nicht um Fische? Das Anführen dieser Wesen als Beispiel – vor
Allem des Wassermannes – sind gut angeführte Beispiele, weil man die
Unterschiedlichkeit der Meinungen versteht und es bei den Beispielen um
Schnittstellen handelt. Ein Wassermann ist ein Fisch, sieht aber wie ein Mensch
aus und lebt im Meer – wird so ein Wesen als Mensch oder als Tier angesehen?
Das sind
Beispiele, die zum Grübeln bringen, doch sie zeigen, dass islamische
Rechtsgrundlagen auf unterschiedliche Fälle und Situationen – ja sogar
mythische Wesen – und sehr unwahrscheinliche Ereignisse anwendbar sind. Denn
der Islam ist die Rechtleitung für die Menschheit, egal zu welcher Zeit und zu
welcher Situation.
Shaykh Salih
al-Munajjid fährt mit einem Zitat von Ibn Hazm fort:
Ibn Hazm (may Allaah have mercy on him) said in
al-Muhalla (6/50): As for that which lives in the water and cannot live
anywhere else, it is all halaal no matter what state it is in, whether it is caught
alive and then dies, or it dies in the water and then floats or does not float,
whether it was killed by a sea creature or a land animal. It is all halaal to eat, whether it
is the pig of the sea (i.e., a dolphin), a mermaid [gemeint ist: Wassermann],
or a dog of the sea (i.e., shark) and so on.
It is halaal to eat, whether it was killed by an idol-worshipper, a Muslim, a
kitaabi (Jew or Christian) or it was not killed by anyone. The proof of
that is the verses in which Allaah says (interpretation of the meaning):
“And the two seas (kinds of water) are not alike: this is palatable, sweet and
pleasant to drink, and that is salt and bitter. And from them both you eat
fresh tender meat (fish)” [Faatir 35:12] and “Lawful to you is (the pursuit of)
water game and its use for food — for the benefit of yourselves and those who
travel” [al-Maa’idah 5:64]. Allaah spoke in general terms and did not exclude
anything, “and your Lord is never forgetful” [Maryam 19:64]. End quote.
Diese
Streitigkeit bezüglich den Wesen, die nicht wie Fische aussehen, jedoch im Meer
leben ist das, was Ibn Hazm im nächsten Abschnitt nach diesem Zitat bespricht,
indem er die Meinung der Hanafiten zitiert, dass Allah das Essen des Schweins
und des Menschen für verboten erklärt hat, jedoch diese als gegensätzlich zu
Qur’an und Sunnah erklärt. Wir sehen also, wie wichtig diese Diskussion ist,
weil sie die verschiedenen Ansichten der Gelehrten aufwirft.
Ein zweiter
Gelehrter, welcher Wassermänner erwähnt, ist Al-Sawi, welcher die Aussage des
al-Durayr kommentiert:
Al-Saawi said in his commentary on that: The words “or a ‘dog’ or a ‘pig’ also
include a ‘human’, referring thereby to mermaids [gemeint ist: Wassermann]. End quote.
Damit meint er,
dass ein Wassermann ebenfalls zur Kategorie des Wasserhundes/Wasserschweins
gehört, weil er nicht die Form/das Aussehen eines klassischen Fisches hat. Das
bedeutet nicht, dass al-Durayr diese Kategorie der Wesen erwähnt hat.
Der letzte
Gelehrte, den der Shaykh erwähnt, welcher Wassermenschen erwähnt, ist Ibn
’Abidin:
Ibn ‘Aabideen – who was a Hanafi scholar – said in Radd al-Muhtaar (6/307): Anything other than fish and the like, such as mermaids [wörtlich: Mensch des Meeres] and dolphins [wörtlich: Schwein des Meeres], is impure and remains prohibited.
Das ist die
einzige Stelle innerhalb seines Werks, in der er etwas über die Wassermenschen
schreibt.
Identifikation der Wassermänner
Weder die fuqaha sagen, was sie unter
Wassermännern verstehen, noch ist die Definition des al-Damiri präzise, denn
unter seiner Beschreibung kann man viel hineindeuten. Oft hat man heutige
Abbildungen von Meerjungfrauen im Kopf, jedoch lässt sich dies nicht analog
anwenden. Vor Allem dann nicht, wenn man sich alte arabische Miniaturen
sogenannter Wassermänner anschaut. Denn hier ist die Miniatur[7]
des al-Qazwini, der die Legende des Wassermanns weitergegeben hat:
Oben sieht man den sogenannten Wassermann (insan al-ma’). Unten wurde eine
sogenannte Seekuh (baqar al-ma’)
dargestellt, wobei al-Qazwini ihn seinen Vorstellungen gemäß gezeichnet hat,
wobei die Zeichnung auch auf Berichten beruht. Er stellt in seinem Manuskript
auch die Existenz dieses Wesens in Frage. Heute wissen wir, dass dieses Tier
tatsächlich existiert, denn hiermit ist ein Nilpferd gemeint.
Die Miniatur
stammt aus seinem Werk ’Aja’ib
al-mahluqat wa gharib al-mawjudat (Wunder der Kreaturen und seltsame
Dinge). In jenem Werk findet man zahlreiche Fabelwesen, die beschrieben werden,
aus jenem Werk eben al-Damiri verwiesen hatte.
Die Frage ist
nun, ob die fuqaha sich genau auf
diese Wesen bezogen haben, weil sie nie erläutert haben, was sie unter
Wassermännern verstehen. Anhand den Zitaten des Shaykh Salih al-Munajjid wird
aber klar, dass die Gelehrten Delfine als „Schweine des Meeres“ bezeichneten
und Haie als „Hunde des Meeres“:
It is all halaal to eat, whether it is
the pig of the sea (i.e., a dolphin), a mermaid [wörtlich: Mann des Meeres], or
a dog of the sea (i.e., shark) and so on.
Obwohl Delfine
für uns nicht wie Schweine aussehen und Haie auch nicht wie Hunde, wurden sie
zu der damaligen Zeit so bezeichnet. Es ist davon auszugehen, dass die
Bezeichnung „Wassermann“ eine Analogie hierzu ist und damit ein Dugong gemeint
ist oder eine Mittelmeer-Mönchsrobbe. Der Dugong sieht einem Menschen ähnlich
und wurde ebenfalls als „Gabelschwanzseekuh“ oder „Seeschwein“[8]
bezeichnet. Sein Habitat ist das Rote Meer, der persische Golf sowie die
Ostküste des afrikanischen Kontinents, sodass Araber dieses Tier kannten. Die
Mittelmeer-Mönchsrobbe kommt der Beschreibung des Wassermanns auch nahe und
diese findet man im Mittelmeer.
Es ist
bekannt, dass zu der damaligen Zeit Geschichten über solche Wesen weit
verbreitet waren[9] und
immer wieder Menschen behaupteten, welche gesehen zu haben.[10]
Es gibt auch in verschiedenen Kulturen solche Wesen, zum Beispiel das (bzw.
die) Loch Ness Monster, bei dem „Augenzeugenberichte“ dafür sorgten, dass der
Mythos unter dem Volk überlebt hat. Es wäre zu solch einer Zeit für Gelehrte
ebenfalls interessant, Bestimmungen über dieses Wesen zu geben, das innerhalb
des Volkes als existent angenommen wird (natürlich, wenn die Gelehrten in
Schottland leben würden). Analog dazu verbreitete der arabische Historiker und
Entdecker Abu al-Hasan al-Mas’udi Legenden, in denen Seefahrer auf schöne
Meerjungfrauen (banat al-ma’)[11]
trafen, die Körper ähnlich zu einem Fisch, lange Haare haben und deren
Gesichter jenen der menschlichen Frauen ähneln. Er erwähnte auch, dass diese
Meerjungfrauen nicht nur im Mittelmeer vorzufinden sind, sondern auch an Seen
nahe des Nildeltas leben.[12]
Solche Augenzeugen, die gerne von fabelhaften Wesen berichten, gab es in der
damaligen Zeit in vielen Kulturkreisen. Ein sehr berühmtes Beispiel hierzu ist
Marco Polo, der ebenfalls über viele Fabelwesen wie den Vogel Roch berichtet
hat, über den auch viele Händler des Indischen Ozeans berichteten.[13]
Solche Erzählungen führen heute sogar dazu, dass Marco Polos Reisen vielmehr
angezweifelt werden.
Als ein
Rechtsgelehrter (faqih) ist man in
solchen Angelegenheiten nicht dafür zuständig, die Echtheit oder Biologie der
Tiere zu untersuchen. Ein Rechtsgelehrter
ist in solchen Angelegenheiten nur dafür zuständig, die
islamisch-rechtliche Ansicht in Bezug auf die Erlaubnis der Nutzung der Tiere bekanntzugeben.
Für die Existenz oder wissenschaftlichen Erkenntnisse sind Wissenschaftler
zuständig.
Schlussfolgerung
Was auch immer
die Gelehrten unter Wassermännern verstanden haben und ob sie an diese glaubten
oder nicht, ändert nichts an der Wahrhaftigkeit des Islam. Es ist in Ordnung,
wenn einige der oben genannten Gelehrten in ihren Rechtsbeschlüssen
Wassermänner erwähnt haben und damit Fabelwesen gemeint sind, weil es nicht ihr
Interesse war, über deren Existenz oder biologische Kategorie zu sprechen,
sondern über ihre rechtliche Bestimmung innerhalb erlaubter Nahrungsarten. Auch
wenn es einige Gelehrte gab, die an ihre Existenz glaubten, so hat dies etwas
damit zutun, dass Geschichten über jene unter dem Volk und vielen weiteren Schriften
verbreitet waren und sie aus diesem Grund diese Kategorie von Lebewesen mit in
Rechtsgutachten einbezogen haben. Wie angedeutet, kann es aber auch sein, dass
sie unter Wassermännern Tiere wie den Dugong oder die Mönchsrobbe verstanden
haben, weil sie andere Tiere auf selbe Art und Weise bezeichnet haben. Die
Gelehrten haben genauso wie der Shaykh die Diskussion über ihre Existenz
vermieden. Deswegen werden sie nur von den fuqaha
erwähnt, da sie in Hinsicht auf die Meinungen der vier Rechtsschulen (, ob man
solche Wesen und andere wie Haie usw. essen darf) zu extremen
Meinungsverschiedenheiten führen. Aufgrund der massiven Unklarheit, was dieses
Thema angeht, ist es seitens islamophoben Islamkritikern sehr unehrlich,
irgendwelche Rückschlüsse zu ziehen. Denn eine wissenschaftliche Fehlannahme
einiger Gelehrter ändert nichts an der Wahrhaftigkeit des Islam.
Wahrlich, Allah weiß es am besten!
Nachtrag
Um dieses
Thema herum findet man außer dieser fatwa
noch weitere Zitate, mit denen suggeriert werden soll, dass Muslime an
Meerjungfrauen glauben. Ein Zitat behandelt das Rechtsgutachten des Shaykh
al-Fawzan:
It is known that the ocean fish that live exclusively
in the seas and oceans are permissible to eat due to the hadith, “هو الطهور ماؤه
الحل ميتته”, “It is pure and purifying its water [i.e. the seas] and its dead
animals are permissible to eat”[i.e. that which dies in the oceans from its
animals exclusive to living within it can be eaten even without slaughtering],
with that regard Shaikh Saleh al-Fawzaan was asked about the entity recognised
and known as the “mermaid” and the ruling upon it in terms of hunting it and
eating it since it is also from the fish of the sea etc.
Questioner, “Shaikh, some experts and
specialists in sea-life and fish mention that there is a fish that has a head
like the head of a woman, and she has hair and a face like a woman, so is it
permissible to eat it…and that is what they term as the “mermaid”?
Shaikh al-Fawzaan, “There is the “human of the
ocean”, there is something from a type of fish upon the appearance of humans,
they call it the “ocean human” [otherwise termed as “mermaid”] and it can be
eaten, it is from the items that can be caught and eaten from the sea, yes, even
if it was upon the appearance of a man or woman”.
[Official website of the Shaikh]
Diese fatwa
kann man HIER aufrufen.
Das andere
Zitat, das ich von einer islamkritischen Seite gefunden habe, ist eine
malikitische Enzyklopädie:
Encyclopedia
of Jurispudence 5/129-130:
And the Fuqaha differed concerning eating the
mermaid. Some regarded it as haram and others as permissable which is the
correct view. And the Maliki’s stated it is permissible to fry or grill the
fish without cutting the midsection, even if it is alive. They said: this is
not considered torture because it’s life out of the water is that of the
slaughtered.
Antwort: Es ist nicht verwunderlich, dass diese
Gelehrte oder Enzyklopädien usw. genauso wie Shaykh Salih al-Munajjid dieses
Thema rund um Wassermänner weiterhin behandeln, weil sie ihr Wissen von den
fuqaha vor ihnen entnehmen und die Tradition weitertragen, solche
Fragestellungen weiterhin zu beachten. Wie bereits Shaykh Salih al-Munajjid es
erwähnt hat, liegt es nicht im Interesse eines Rechtsgelehrten (faqih), die wissenschaftliche Existenz
solcher Wesen zu verneinen oder zu bestätigen, sondern die islamische Position
in Hinsicht auf gesetzliche Belange bekanntzugeben.
[1] In
arabischer Sprache: https://web.archive.org/web/20120601000541/http://islamqa.info/ar/ref/103991
[2] Obwohl
es in der fatwa später nicht um die
Meerjungfrau geht, sondern um den Wassermann (da die fuqaha das Wort insan al ma’
verwenden). Die Info zur Meerjungfrau zitiert der Shaykh nur, weil der
Fragesteller das Wort mermaid verwendet. Dies ist die einzige Stelle der fatwa,
in der es um die weibliche Form dieser Wesen (sirène) geht.
[3] Unter
der Bezeichnung banat al-ma’ (S. 338)
werden Meerfrauen beschrieben, die Brüste haben, lachen und kichern und im
griechischen Meer leben. Diese Information hat er von Ibn-Abi’l Ash’ath.
[4] Muhammad
ibn Musa al-Damiri, Hayat al-Haya’wan, übersetzt
ins Englische von Lieutenant-Colonel Jayakar (London: Luzac and Co.,
1906-1908) Bd.1, S. 80-81
[5]
Wikipedia: Muhammad ibn Musa al-Damiri. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Muhammad_ibn_Musa_al-Damiri
(Stand: 08.01.2021)
[6] Dies ist
auch der Titel der fatwa: Ruling on eating mermaids.
[7]
Bayerische Staatsbibliothek: Miniaturen 57: Der Wassermensch (insan al-ma) und
die Seekuh (baqar al-ma). URL: https://bildsuche.digitale-sammlungen.de/index.html?c=viewer&bandnummer=bsb00045957&pimage=149&suchbegriff=&l=de#
(Stand: 08.01.2021)
[8]
Wikipedia: Dugong. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Dugong (Stand:
08.01.2021)
[9] Das kann
man vor Allem von einer Zeit erwarten, in der große Dinosaurierknochen gefunden
und durch diese Funde viele verschiedene Fabelwesen hineingedeutet wurden.
[10] Dies
ist sogar heute noch der Fall. Hierfür müsste man nur in Suchmaschinen
„Meerjungfrau gesehen“ eingeben und man findet mehrere Berichte von Menschen,
die diese Wesen gesehen haben mögen.
[11] Im
Nachhinein merkt man sehr deutlich, dass seine Berichte über die Meerjungfrauen
von der griechischen Mythologie stammen, da sie genauso wie in der
hellenistischen Kultur durch Anspielungen auf ihre schöne Weiblichkeit
beschrieben werden.
[12] Hayward, Philip, Scaled for Success: The Internationalisation of the Mermaid,
(Indiana University Press, 2018)
[13] Wikipedia: Roch. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Roch
(Stand: 08.01.2021)
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